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Das Training


Wann ist Training sinnvoll?

Training ist immer dann sinnvoll, wenn ein Zustand, der keine unbedingte Verbesserungsnotwendigkeit in sich birgt, erhalten oder verbessert werden möchte. Ebenso schützt abgestimmtes Training in vorbeugender Absicht vor möglichen durch Belastungen, wie zum Beispiel dem Reitergewicht, verursachten körperlichen Abbauprozessen. Zustände mit einer, meist auf pathologische Körperlichkeiten zurückzuführenden Verbesserungsnotwendigkeit bedürfen immer der Korrektur

 

Durch Training sollen die dem Pferd- Reiterpaar derzeit zur Verfügung stehenden Kapazitäten, die aus dem erreichbaren Gesamtpotential geschöpft werden, erhalten oder erweitert werden. Ein junges Pferd, welches am Anfang seiner Ausbildung an das Reitergewicht gewöhnt werden soll, profitiert ebenso von einem aufbauenden Training wie ein Pferd, das bereits Lektionen der hohen Schule beherrscht, oder ein Pferd, welches vorzugweise im Freizeiteinsatz mit seinem Reiter lange Geländeritte genießen darf.  

 

Im Gegensatz zur Korrektur baut ein Training auf einer bereits natürlich gesunden Basishaltung auf, weswegen sich das Training in den meisten Fällen vergleichsweise komplikationsfrei gestaltet. Im Vordergrund stehen neben dem konstitutionellen Aufbau, der Spaß an der Bewegung, die Freude am Lernen, das Gewinnen neuer Eindrücke, die Anregung für eine abwechslungsreiche Ausgestaltung vielleicht eingefahrener Trainingsroutinen, die Erhaltung und Förderung der Vitalität, der mentale Ausgleich, die Erhöhung der Aufmerksamkeitsspanne so wie der Resilienz und viele weitere gewinnbringende Aspekte.

 

Training dient dazu, auf Basis einer gesunden Grundkonstitution (Basishaltung) Abbauprozessen vorzubeugen, Leistungsvermögen zu erhalten oder zu steigern. 



Blickschulung

Genauso wichtig wie das körperliche Training der Pferde, ist die Blickschulung des Pferdebesitzers. Um den Zustand, die Veranlagungen und Potentiale unserer Pferde zu erkennen und um beurteilen zu können, ob die Trainings- oder Korrekturbemühungen in die gewünschte Richtung gehen, ist ein geschulter Blick wesentlich. Nur ein trainierter Blick ist  und bleibt objektiv und gesund kritisch.

Unseren Blick bilden wir mitunter völlig unbewusst automatisch jeden Tag aus.  Wenn wir uns Bilder im Internet, in Videos oder in Büchern ansehen, andere Reiter und Pferde betrachten, das eigene Pferd in seiner Entwicklung mustern oder bei Turnieren zuschauen, nehmen wir fortwährend Eindrücke wahr, die uns auf den ersten Blick gut oder weniger gut gefallen. In der Regel ordnen wir das Beobachtete  in "richtig", "falsch" oder einen beliebigen Bereich zwischen richtig und falsch ein, indem wir es mit bereits bekannten beobachteten Bildern  oder Erfahrungen aus  unserer Vergangenheit vergleichen. 

Ob das, was gefällt auch wirklich das ist, was für das Pferd gut ist, können wir jedoch nur dann beurteilen, wenn uns eine stimmige Vergleichsgröße bekannt ist,  von der wir überzeugt sind oder die uns zeigt oder gezeigt und gelehrt hat wie etwas tatsächlich richtig auszusehen hat.

 

Die externe Vergleichsgröße

 

Das Heranholen einer positiven Vergleichsgröße gestaltet sich in der heutigen Zeit nicht mehr so einfach. Zum Einen, weil sich die in einigen der anderen Kapitel bereits angesprochenen nachteiligen Zuchtveränderungen mittlerweile rasseübergreifend auswirken und zum Anderen, weil sich auch die sich gut entwickelnden Pferde schon alleine aufgrund des einsatzzweckorientierten (Springen, Dressur, Vielseitigkeit, Freizeit, Kutsche..) und damit unterschiedlichen Trainings in ihrer Muskulatur und ihrem Exterieur sehr stark unterscheiden können.

 

Die Hauptursache dafür, dass in der Praxis immer weniger reelle gute Vergleichsbilder zur Verfügung stehen jedoch ist, dass, wie bereits im Kapitel  "Die gemeinsame (Pferde)Sprache, Grundhaltung, Basishaltung, Okkasionshaltung und Dehnungshaltung" erwähnt,  auch defizitäre Darstellungen als einwandfrei makellos und vorbildlich ausgegeben werden. Durch diese falsch als positiv ausgegebenen Eindrücke prägen sich bei den Betrachtern völlig verkehrte Vorstellungen ein. 

 

Vergleiche sollten in jedem Fall nur zwischen miteinander vergleichbaren Pferden gezogen werden. Es bietet sich nicht an, die auf Tragfähigkeit trainierte Muskulatur eines aktiven Dressurpferdes aus der Warmblutzucht mit der auf Ausdauer trainierten Muskulatur eines  im Vollbluttyp stehenden Distanzpferdes oder dem Zustand einer lange nicht trainierten und möglicherweise auch noch unglücklich gezogenen modernen Kaltblutzuchtstute zu vergleichen, deren Exterieur  zweckmäßig ursprünglich auf das Kutschenziehen  gezüchtet wurde.

 

Sucht man nach einer Vergleichsgröße, dann sollte diese dem Ideal der Entsprechung möglichst nahekommen. 

Das individuelle  Ideal

 

Wie bereits in vorherigen Kapiteln erwähnt, sollte das auf der Basishaltung aufbauende Training dem Exterieur und dem Einsatzzweck angepasst ausgerichtet sein. Entsprechend dieser abgestimmten Trainingsmaßnahmen wird sich die Muskulatur und das damit sichtbare Erscheinungsbild entwickeln. Unser Blick sollte sich in Folge dessen stets darauf konzentrieren, ob die, zum Vergleich herangezogene, beobachtbare Reitweise, das Training und die Entwicklung den natürlichen körperlichen Gegebenheiten und auch den Neigungen des Pferdes entgegenkommen und diese über einen bestimmten Zeitraum in einem gesunden Rahmen tatsächlich verbessern oder nicht. 

 

Es erfordert eine gewisse Zeit und Erfahrung um die, jedem Pferd ganz eigene individuelle Idealentwicklung objektiv, reflektiert und richtig beurteilen zu können. Sehr hilfreich kann es auch sein, sich Bilder anzusehen, in die sowohl positive als auch negative Merkmale eingezeichnet wurden. Im Kapitel "Beispiele und Erklärungen" zum Beispiel finden sich ein paar solcher Darstellungen. 

 

Ist der Blick einmal sicher und gefestigt, bringt das viele Erleichterungen im Pferdealltag mit sich. Ein geschulter Blick schützt uns vor Verfehlungen beim Pferdekauf, hilft uns bei der Auswahl des richtigen Sattels, unterstützt die Bemühungen des Hufbearbeiters und bildet die Garantie und Basis für gutes und nachhaltiges, jederzeit in seiner Entwicklung selbst kontrollierbares und damit eigenverantwortlich beeinflussbares Training. 

 

 

Je geschulter und sicherer der Blick, um so unabhängiger und eigenverantwortlicher gestalten sich unsere Entscheidungen und Vorgehensweisen.




Der Trainingserfolg

Ist die Basishaltung, die die Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Training bildet erst einmal gefestigt, verläuft das auf die Neigungen und Talente des Pferd-Reiterpaares ausgerichtete Training erfahrungsgemäß reibungslos und harmonisch. Bleiben Trainer und Pferdebesitzer am Ball werden die  miteinander kurz- und mittelfristig angelegten Trainingsziele auch erreicht.

 

Unstimmigkeiten, die im Training aus relativ rasch lösbaren Abstimmungsdifferenzen hervorgehen sind völlig normal. Ursächlich für immer wieder auftretende Abweichungen und Schwierigkeiten jedoch,  könnte ein Missverhältnis zwischen den Wünschen des Pferdebesitzers und den Veranlagungen des Pferdes sein.

 

Durch das gemeinsame Abstimmen der Trainingsziele,  zwischen Pferdebesitzer und Trainer, die in erster Linie abhängig vom Pferdeexterieur festgelegt werden, wird eine übereinstimmende Vorstellung der tatsächlich erreichbaren Vorhaben erlangt. Die daraus erwachsende, realistische Erwartungshaltung ist eine regelrech-te Garantie für den Trainingserfolg.

 

Trainingsbegleitende Effekte wie größere Gelassenheit bei gleichzeitig höherer Wachsamkeit, Verbesserung von Stoffwechselproblemen, mehr Agilität, stabileres Interieur, geringeres Verletzungsrisiko, mehr Ausdauer, Ausgeglichenheit, höhere Stresstoleranz und Weitere positive Effekte sind in allen Fällen  zu beobachten.


 

 Realistische, an erreichbaren Zielen orientierte Erwartungen garantieren den Trainingserfolg.



Lektionen verstehen und zweckmäßig einsetzen

Lektionen haben keinen selbstdarstellerischen Zweck. Ihr ausschließlicher Sinn und Nutzen sollte sein, als Hilfsmittel eingesetzt zu werden, um dem Pferd zu einem immer besseren Verhältnis von Trag- und Schubkraft in allen Grundgangarten zu verhelfen.  

 

Auf Turnieren  und Leistungsprüfungen sollte in den abgefragten Lektionen durch fachkompetente Beurteilung anhand der vorgeführten Leistungen aufgezeigt werden, welche Bereiche sich in der Vergangenheit besonders gut entwickelt haben  und in welchen Bereichen des bisherigen Ausbildungsweges über Verbesserungen oder Änderungen der Vorgehensweise nachgedacht werden sollte. Ein ausschließlicher und damit oft übertriebener Turnierwettbewerbsgedanke in Form eines exzessiven Leistungsanspruches wirkt sich meiner Meinung nach ausgesprochen negativ auf die nachsichtige und geduldige Ausbildung von  insbesondere noch jungen Pferden aus.

 Die Abfolge von Lektionen

Lektionen müssen verstanden werden. Jede Lektion hat für sich eine eigene gymnastizierende Aufgabe. Nur wenn erfasst wird, wie sich  die durch das Ausführen von Lektionen provozierten Bewegungen auf den Pferdekörper auswirken und wie sie sich innerhalb des Pferdekörpers fortsetzen, können sie in den richtigen Momenten eingesetzt und damit ihrer Aufgabe gerecht werden. Vernünftig aneinandergereiht bereitet eine Lektion die nächste Lektion vor, eine Lektionenabfolge mündet direkt in der enstprechenden Grundgangartverbesserung. Die Überprüfung ob die Grundgangart sich verbessert hat, erfolgt im Herausreiten der Grundgangart direkt im Anschluss an die Lektion oder Lektionenreihe. Bevor wir unserem  Pferd die Zügel hingeben und die fordernde Hilfengebung aussetzen, schicken wir es unmittelbar nach dem Überprüfen der Grundgangart  in  der gleichen oder einer anderen Grundgangart vorwärts in eine rahmenerweiternde Dehnungshaltung um zu kontrollieren ob und in wie weit es der angebotenen Rahmenerweiterung folgt. Werden Lektionen richtig verstanden, können sie zu effektiven und erfolgversprechenden Varianten sinnvoll flexibel aneinandergereiht oder  selber neu kreiert werden. Eine Lektion beginnt mit dem Einleiten der Übung und endet mit dem Entlassen  aus der Übung:

1) Einleiten der zweckmäßigen Lektion

2)  Ausführen der  zweckmäßigen Lektion

3)  Herausreiten der Grundgangart um zu Überprüfen ob die Lektion zielführend ausgeführt wurde 

4)  Kontrolle  der  sauberen Abfolge von 1) 2)  und 3) durch  Abrufen der  rahmenerweiterten Dehnungshaltung

5)  Entlassen

 

*


Beispiel

Ein einfaches mögliches  Beispiel für ein sinnvolles Aneinanderreihen von gängigen Lektionen zur Verbesserung der Grundgangart Schritt für ein  bereits eingerittenes  Pferd zu Beginn seiner Ausbildung könnte sein:

 

1.) M- F:          Schenkelweichen im Schritt auf der rechten Hand mit dem Kopf   in 

                           Richtung Bahnmitte.

2.) F-A:            Schritt

3.) A-K-X-F:  Schulterhereinartiges Abwenden auf den zweiten Hufschlag bei A  

                          und damit Einleiten einer Kreisbahn mit großem Durchmesser auf       

                          der rechten Hand im Schulterherein.   

4.) A:                Erreichen des Hufschlages. Schritt.

5.) K-M:          An der langen Seite antraben, das Pferd im Arbeitstrab  in die  rah-                                  menerweiternde  Dehnungshaltung schicken, leichttraben und    

                          loben.

6.) M-K:        Handwechsel  - durch die ganze Bahn wechseln, leichttraben, dem                                   Pferd die Zügel hingeben.

 

 -  Pause -

 

Bei dieser Abfolge geht es nicht vorrangig um die Lektionen Schenkelweichen und Schulterherein als solches. Zentral geht es darum, das Pferd immer besser über das diagonale Beinpaar zu führen.  Über das diagonale Beinpaar geführte  Bewegungen  veranlassen das Pferd mit seinem Hinterbein  aktiver in Richtung gegenüberliegendes Vorderbein vermehrt in seinen Schwerpunkt hineinzutreten ohne sich im Körper zu verdrehen. Dadurch wird verhindert,  dass es aus einem stabilen Körperschwerpunkt ausfällt.  Auf gebogenen Linien wird dieser Effekt verstärkt. Unser Pferd lernt, sich über den Rücken und seine Oberlinie seinem Ausbildungsstand angemessen in sich geradezurichten. 

 

Zur Entspannung und um das Vorwärts zu betonen schicken wir unsere Pferde nach tragkraftverstärkenden Übungen stets in einen angemessenen Arbeitsschritt, Arbeitstrab oder Arbeitsgalopp, loben sie und gönnen ihnen dann eine  Pause.

 

Lektionen haben keinen selbstdarstellerischen Zweck. Gut durchdacht sind sie  sinnvolle gymnastische Hilfsmittel   um die Grundgangarten zu verbessern. 




Die 30% - Regel

Einige Pferdebesitzer erleben, oder haben schon  mehr oder weniger stark stagnierende Phasen erlebt, in denen sie  nicht mehr recht vorankommen.  Generell kann es in solchen Zeiten helfen, sich an einer konkreten fassbaren Zielgröße zu orientieren. Insbesondere wenn man sich schon seit längerem in einem festgefahrenen Zustand befindet, aber auch am Anfang der Ausbildung seines Pferdes kann die 30% - Regel eine solche Richtlinie sein. Für die 30% - Regel werden der gegenwärtige Leistungszustand, die derzeitige Leistungsgrenze und das gewünschte Ziel ermittelt. Diesen Parametern wird ein % - Wert zugeordnet. Danach werden die Größen zueinander plastisch in ein praktikables trainingsaufbauendes Verhältnis gesetzt. 

Der gegenwärtige Leistungszustand  und die derzeitige Leistungsgrenze werden in der Praxis ermittelt, indem man das Pferd zu bestimmten Übungen auffordert oder  bestimmte Bewegungen provoziert. Zeigt das Pferd in den Übungen auch in den in der Anzahl angemessenen Wiederholungen Schwächen in seiner Okkassionshaltung so kann davon ausgegangen werden,  dass seine Leistungsgrenze an diesem Punkt erreicht ist. Der gegenwärtige Leistungszustand liegt immer unter der derzeitigen Leistungsgrenze.

 

Das Ziel sollte möglichst plastisch ausformuliert werden können.  Sehr plastische Ziele wären zum Beispiel das Überwinden eines  1,20 m hohen Hindernisses, das Überwinden von fünf Trabstangen oder drei aufgestellten Cavaletti. Weniger plastisch  und greifbar wären Ziele wie "ich möchte mein Pferd versammeln" oder "ich möchte den Galopp verbessern". In solchen Fällen kann es hilfreich sein, sich lieber eine , die eher unpräzise Vorstellung unterstützende versammelnde Lektion wie zum Beispiel "drei Tritte Rückwärtsrichten" als ausformulierbares Ziel zu setzen. 

 

Beispiel für die 30% - Regel für das Pferd

An einem einfachen konstruierten und damit fiktiven Beispiel, welches ausschließlich zur Veranschaulichung der 30%-Regel dient, würde ein Pferd, dessen Besitzer sich das Überwinden von acht Stangen im Trab als Ziel gesetzt hat über acht im Abstand korrekt ausgerichtete auf dem Boden liegende Stangen longiert. Drückt es in mehreren Runden bei immer genau der siebten Stange den Rücken weg, so kann davon ausgegangen werden, dass seine persönliche derzeitige Leistungsgrenze bei genau sechs Stangen liegt. Mit sieben Stangen ist es bereits überfordert.  Stetiges trainieren an einer labilen Leistungsgrenze würde ein dauerhaftes Ausschöpfen der Höchstleistung bedeuten, was nicht förderlich ist.

 

Wir messen den sechs Stangen nun den Wert 100%  für die Leistungsgrenze zu.  Dem Ziel, also den acht Stangen messen wir den Wert 130% zu. Im Folgetraining  wird dann erst einmal die 100% Leistungsgrenze von sechs Stangen um ca. 30%, um also zwei Stangen auf vier Stangen reduziert. Bei diesen 70% - dem derzeitigen Leistungszustand -  wird das Pferd stabilisiert. Überwindet das Pferd diese vier Stangen stabil und kraftvoll, legen wir die fünfte Stange an. Diese Nieveau wird wieder stabilisiert bis die sechste Stange angelegt werden kann. So verfahren wir bis zur achten Stange.

Beispiel für die 30% - Regel für den Reiter

Auch der Reiter kann von dieser Regel profitieren. Blockiert er beispielsweise im Trab beim Aussitzen stets nach 40 m das Becken, verspannt er sich im Nackenbereich oder weicht er in andere Fehlhaltungen aus könnte man versuchen  nach ungefähr 25 bis 30 m zum Schritt durchzuparieren oder leichtzutraben. Danach  wird eine Pause eingelegt, sich entspannt und erholt und noch einmal neu gestartet.

 

Oft genügt es schon, sich dieser Regel wenige Male zu behelfen. Im Normalfall entwickelt der Reiter relativ bald ein immer besseres Gefühl dafür, wie lange er einen für sich angenehmen, stabilen, entspannten und guten Sitz einnehmen kann und er wird sich recht bald selber korrigieren wenn er unerwünschte Abweichungen spürt wodurch er   automatisch seine eigenen Grenzen immer mehr erweitert.

 

Die 30%-Regel kann im Falle von phasenweise stagnierenden Trainingszuständen eine hilfreiche Orientierungsgröße für Reiter und Trainer sein.




Arbeit vom Boden aus mit Trainingspferden

Selbstverständlich sind die Arbeit vom Boden aus, die Arbeit an der Hand, und die Longenarbeit auch die absoluten Basics eines jeden Trainings. In meinen Kapiteln schreibe ich im  Hauptsächlichen über die Reiterei. Einfach weil die Reiterei das komplexeste Thema ist, weil die meisten Pferde zu diesem Zweck angeschafft werden und weil ich versuche den Besuchern meiner Website vorab einen weder zu epischen noch einen zu oberflächlichen Einblick in meine Themenwelten zu ermöglichen.

 

Im  Allgemeinen gelten die Arbeit an der Hand und die Longenarbeit, etwas überspitzt formuliert, als generell und so gut wie immer anwendbares Allheilmittel. Von dieser Allgemeinvorstellung distanziere ich mich deutlich. Sowohl die Longenarbeit als auch die Arbeit an der Hand sind genau so viel oder wenig wertvoll, wie sie richtig oder falsch zum passenden oder nicht passenden Zeitpunkt eingesetzt werden. Situativ falsch, zu viel oder zu wenig angewendet, kann sich die Arbeit an der Hand oder an der Longe fast genauso unvorteilhaft und nicht selten negativ wie unpassende Arbeit unter dem Sattel auswirken. In manchen Phasen des Trainings kann mit Longenarbeit mehr erreicht werden als mit Training unter dem Sattel. In anderen Phasen ist es genau andersherum. 

 

Auch  bei statisch unkritischen Pferden sollten wir auf eine gewisse Formgebung an der Hand und an der Longe achten. Eine über eine längere Zeit tiefe  "im Sand schlurfende" Nase sollte  beispielsweise nur zugelassen werden, wenn sich der Rumpf in  Selbsthaltung tragen kann, weil auch ein im Exterieur unbedenkliches  Pferd sonst zu sehr auf die Vorhand fallen würde. Zwischendurch  darf die Nase zur Entspannung freilich auch bei Pferden die sich noch nicht so gut selber tragen können zu tief kommen. 

 

Longenarbeit so wie die Arbeit an der Hand sind keine Allheilmittel und sollten genauso gut und verantwortungsvoll durchdacht werden wie die Arbeit unter dem Sattel.

 

Mit oder ohne Gebiss

 

Ein immer wieder diskutierter Kritikpunkt ist das Longieren mit Gebiss. In den meisten Fällen wird die Kritik jedoch nicht in ausreichender Form argumentativ untermauert. Erfahrungsgemäß kommen die meisten Pferde gut mit einem Kappzaum zurecht und in der Tat ist auch meiner Ansicht nach in den meisten Fällen das Longieren und Arbeiten an der Hand ohne Gebiss der Arbeit mit Gebiss vorzuziehen. Auch anspruchsvollere Lektionen und Übungen an der Longe oder an der Hand können mit Kappzaum gut und vernünftig umgesetzt werden. 

 

Sowohl beim Longieren als auch beim Arbeiten an der Hand soll dem Pferd ein Rahmen angeboten werden, innerhalb dessen es sich mit seinem Körper hineinformen kann. Diesen Rahmen bestimmen wir bei der Arbeit an der Hand dadurch, dass wir das Pferd vorne mit Gebiss oder Kappzaum und hinten mittels der treibenden Impulse einfassen. Dieser  stets veränderliche Rahmen muss genau so weit gewählt werden, dass sich das Pferd in einer gesunden Haltung  seinem Ausbildungsstand entsprechend darin einschmiegen kann. 

 

Das Longieren am Gebiss unterstützt die weitere Formgebung nur dann, wenn das Pferd körperlich in der Lage ist, sich in Selbsthaltung  in den begrenzten Rahmen hineinzuentwickeln und sich am Gebiss abzustoßen ohne sich am Gebiss anzustoßen.

 

Findet der  Longierende, egal aus welchen Gründen, keine Rahmenweite in der es ihm gelingt, sein Pferd mit offenem Genick in Selbsthaltung an das Gebiss bzw. an die Hand heranzutreiben, sollte erst einmal lieber ohne Gebiss longiert werden. 

 

Fügt sich das Pferd bereits sehr leicht in den Rahmen ein und folgt es in guter Selbsthaltung den Rahmenveränderungen,  kann das Longieren mit Gebiss förderlicher sein als das Longieren ohne Gebiss. Ähnlich wie die Kandare im Verhältnis zur Trense beim Reiten, kann beim Longieren das Gebiss im Verhältnis zur gebisslosen Variante das von Hinten nach vorne Treten mit dem daraus resultierenden am-Gebiss-Abstoßen und dem Herauslassen der über die Oberlinie geleiteten Kraft durch die Hand nach vorne viel feiner unterstützt werden als gebisslos. 

 

In der Regel ist das gebisslose Longieren dem Longieren mit Gebiss vorzuziehen. Bei sehr gut ausgebildeten Pferden kann das Longieren mit Gebiss förderlicher sein als das Longieren ohne Gebiss.

Sonderfall Genick

 

Für den Ein oder Anderen mag es überraschend klingen dass tatsächlich die meisten Pferde  Schwierigkeiten haben, ihr Genick wirklich vollständig zu öffnen. Üblicherweise sagt man diesen Mangel Rollkurpferden und Pferden nach, die im Genick abknicken und ihre Nase hinter die Senkrechte nehmen. Tatsächlich betroffen sind aber auch Pferde die ihre Nasen vor der Senkrechten tragen und deren Genick der höchste Punkt ist. Allein der Umstand dass das Genick  am höchsten Punkt getragen wird, sagt nichts über seine Durchlässigkeit aus.

 

So plagen sich wesentlich mehr Pferde mit Genickblockaden als auf den ersten Blick erkennbar. Mit diesem gut versteckten Problem sind auch sehr viele Freizeitpferde konfrontiert und dabei wiederum meist Pferde, bei denen versäumt wurde rechtzeitig eine korrekte Dehnungshaltung zu erarbeiten.

 

Die meisten Pferde mit blockiertem Genick  reagieren bei jeder noch so geringen Manipulation am Kopf damit, dass sie ihr Genick noch mehr blockieren. Aus meiner Erfahrung heraus bietet es sich an,  ihnen mindestens am Anfang für die Longen- und Handarbeit überhaupt kein Kopfstück, sondern nur einen Halsriemen anzulegen. 

 

Pferden die Schwierigkeiten haben ihr Genick vollständig zu öffnen hilft es sehr, wenn sie zu Beginn und immer wieder zwischendurch an der Hand mit einem Halsriemen gearbeitet werden.




Das Freispringen

Freispringen ist eine wunderbare Möglichkeit, unseren Pferden sinnvolle Abwechslung zu verschaffen und gleichzeitig Koordination, Geschicklichkeit und Aufmerksamkeit zu trainieren. Stürmische Pferde mit viel Bewegungsdrang  müssen sich in den Reihen etwas zurücknehmen, weswegen sie genauso davon profitieren wie die eher phlegmatischen Typen, die zu mehr Aktion  animiert werden. 

 

Das Aufstellen der Reihen in den für jedes Pferd individuell abzustimmenden Varianten, erfordert eine vernünftige Vorbereitung, ein wenig Erfahrung und einen guten Blick. Sowohl die Abstände, als auch die Höhen und Abfolgen der Hindernisse so wie die Art des Auflegens der Stangen haben einen großen Einfluss auf das Ergebnis und die Motivation der Pferde. Ein guter Trainer kann vor Ort wertvolle Tipps für das Gelingen liefern.

 

Freispringen fördert Koordination,  Geschicklichkeit und Aufmerksamkeit.

 



Die Muskulatur im Training

Positive Trainingseffekte werden in der Reiterwelt im Normalfall hauptsächlich an voluminös ausgebildeter Muskulatur festgemacht. Tatsächlich kann eine deutlich sichtbare Veränderung der Muskulatur ein Indiz für gutes Training sein. In der Praxis jedoch ist ein positiver Trainingseffekt in Form von stark auffälligen Muskelveränderungen unter Anderem von der genetischen Veranlagung des Pferdes abhängig. Während sich bei dem einen Typ Pferd die Muskeln mehr ausbilden, sich das Bewegungsmuster jedoch weniger auffällig verbessert, kann es sich bei einem anderen Pferd genau andersherum verhalten. 

Häufig wird nach speziellen Übungen gefragt um einen bestimmten Bereich am Körper zu verbessern. Insgesamt  ist immer der vollständige Bewegungsapparat in seiner Wechselwirkung  zueinander zu betrachten und nicht nur eine isolierte Einheit wie beispielsweise nur der Bauchmuskel oder nur der Unterhalsmuskel. Die Muskeln sind ein eigenes sehr komplexes zusammenhängendes Organsystem. Soll ein Muskel verändert werden, so verändern sich zwangsläufig alle dazugehörigen und ineinanderwirkenden Haltesysteme. 

 

Sichtbare Veränderungen können typbezogen neben mehr oder weniger ausgeprägten muskulären Veränderungen auch in Form von verbesserter Statik und Körperhaltung, koordinierteren Bewegungen, mehr Ausdauer, besserer reeller Dehnungsbereitschaft und weiteren pyhsischen Aspekten wahrgenommen werden. Im besten Fall gehen alle positiven Veränderungen miteinander Hand in Hand und stehen in einem gesunden ausgewogenen Verhältnis zueinander. 

 

Fehlmuskulatur

Nur ein zur Entspannung fähiger Muskel ist zur Anspannung fähig. Außerdem wirken Muskeln antagonistisch. Der eine Muskel zieht zusammen und der Andere dehnt. Ohne den dehnenden Muskel könnte die Kontraktion nicht beendet werden so wie ohne kontrahierenden Muskel die Dehnung nicht beendet werden könnte. Bewegung ist also nur möglich wenn beide Muskeln ihre Aufgabe  im  gesunden Wechselspiel erfüllen.

 

Wird von Fehlmuskulatur gesprochen, ist in der Regel gemeint, dass sich die Funktionen von Agonist und Antagonist aufgrund der umgekehrt ausgebildeten Muskelmasse mehr oder weniger  invertieren, womit sie Ihre ursprüngliche Aufgabe nicht mehr erfüllen können.  Der   Muskel der eigentlich 

zusammenziehen sollte ist zu schwach und kann sich nicht vernünftig verkürzen. Der Muskel der dehnen sollte ist  zu stark und kann sich nicht locker entspannen. Es wird diskutiert, ob einem Aufbau der Muskulatur an der einen Stelle erst ein Abbau der Gegenmuskulatur an der anderen Stelle vorausgehen muss. Ist also der Antagonist als   Gegenspieler des    Agonisten zu stark ausgeprägt herrscht Uneinigkeit darüber, ob erst der Antagonist geschwächt werden muss damit der Agonist gestärkt werden kann. Dies ist meiner Erfahrung nach in jedem Einzelfall neu zu überlegen. Je mehr den natürlichen Bewegungsablauf behindernde Fehlmuskulatur im Verhältnis zur korrekt ausgebildeten  förderlichen Muskulatur vorhanden       ist, um so mehr  wird bei jeder 

Bewegung die zu stark ausgeprägte Muskulatur weiterbedient und damit immer mehr aufgebaut. Das Bedienen der gewünschten Muskelgruppen wird demzufolge immer stärker verhindert.  In   so einem Fall wird man nicht umhinkommen die zu voluminösen Muskelgruppen auf ein normales Maß so weit abzutrainieren, bis die unterentwickelten Muskelgruppen wenigstens bedient werden können. Danach können durch gezielte Übungen alle Muskelgruppen auf ein normales zueinander stimmiges Verhältnis trainiert werden, so dass das Pferd alle seine Muskeln in einem der Belastung angepassten vernünftigen Maß natürlich bedienen und jederzeit in vollem Umfang an- und entspannen kann. 

 


 Die Muskulatur unserer Pferde sollte in einem ausgewogenen, sich gegenseitig stützenden Gesamtverhältnis passend zur Belastung und in Relation stimmig zum individuellen Skelettgerüst ausgebildet werden. 

 

Volumenkorrektur

In diesem Textabschnitt verabschieden wir uns kurz von der Idee, es gäbe gute und schlechte Muskulatur. Wir einigen uns darauf, dass es nur im Verhältnis zueinander zu stark oder zu schwach ausgeprägte Muskulatur gibt. Jeder Muskel hat,  sowohl in Trainings- als auch im reitfreien Pferdealltag seine wichtige Funktion zu erfüllen und sollte durch Training weder zu sehr geschwächt, noch ausgeschaltet oder übermäßig  stark ausgebildet werden. Es ist  zum Beispiel richtig, fokussiert einen zu dominanten Muskel wie zum Beispiel den häufig zu stark ausgeprägten Unterhalsmuskel mitsamt der dazugehörigen Muskelgruppen zugunsten der gesamten Oberlinie durch Dehnung zu verlängern. Die Unterhalsmuskulatur jedoch zu stark zu schwächen    wäre   unvernünftig.    Oberarm-Kopfmuskel                und 

Brust-Kiefermuskel befähigen unsere Pferde ihre Vorderbeine nach vorne zu führen, in der Aufrichtung die Vorderbeine anzuheben und beim Fressen den Kopf unten zu halten. Ohne genügend kräftigen Unterhalsmuskel wäre das Pferd  außerdem nicht in der Lage Lektionen der hohen Schule wie zum Beispiel den spanischen Schritt korrekt zu zeigen. Bei stark versammelnden Lektionen muss das Pferd nicht nur in der Hinterhand viel Tragkraft entwickeln, es muss auch parallel dazu seine Vorderbeine kräftig vom Boden abstoßen, nach oben heben und angemessen weit nach vorne führen.  Würde das Pferd gezwungen, diese mit vom Unterhalsmuskel unerstützte Arbeit ausschließlich mit der Oberlinienhalsmuskulatur zu verrichten, könnte es das Genick niemals am höchsten Punkt halten.


Jeder Muskel hat eine wichtige Funktion. Das Ausbilden der Muskulatur ist kein örtlich isoliert zu betrachtender Vorgang. Die Volumenkorrektur eines einzelnen Muskels  beim Pferd ist in der Regel weder sinnvoll noch gesund. Jede Muskelkorrektur muss eine im Verhältnis passende Veränderung des gesamten stützenden Bewegungsapparates mit sich ziehen.