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Thesen zu den Gesetzmäßigkeiten der Reiterei


Über die Energiebilanz

Ganz gleich wie anspruchsvoll die  Aufgaben sind, die wir unseren Pferden stellen, meist wird es im Reitalltag als selbstverständlich empfunden, dass sich das Pferd letztendlich zur Erfüllung der Herausforderungen, denen es sich von Natur aus zweifelsohne niemals stellen würde, seiner Kraft und Geschicklichkeit so bedient, wie wir uns das wünschen. Hinzu kommt dass wir aus unserer Verantwortungsverpflichtung heraus von unseren Pferden einfordern müssen, dass sich ihre Bewegungsausführungen mit und ohne Reitergewicht seinen und unseren Körper entlastend gesund gestalten. 

 

Vergegenwärtigen wir uns, dass das normalerweise von Natur aus mit seiner Achtsamkeit nach außen gerichtete Fluchttier Pferd uns in jedem Moment unserer Erwartungen seine gesamte Energie, Kraft, Ausdauer und Aufmerksamkeit nur dafür zur Verfügung stellt, uns gerecht zu werden und wir selbst einen vergleichsweise vernachlässigbaren Anteil an körperlichem Aufwand einbringen, liegt es auf der Hand, dass wir mit den körperlichen und mentalen Ressourcen unserer Pferde möglichst effizient und erschöpfungsarm haushalten sollten.

Ein effizientes und erschöpfungsarmes Wirtschaften bedeutet in der Reiterei in erster Linie nicht, dass das Pferd insgesamt weniger Energie und Kraft aufwenden muss, sondern dass die im gleichen Umfang aufgewendete Kraft und Energie durch immer weniger Umwege in ein dem Ziel immer näherem Ergebnis mündet. Anders ausgedrückt wird ein sehr effizient arbeitendes Pferd nicht weniger Schweißperlen auf seinem Fell tragen als ein wenig effizient arbeitendes Pferd in der gleichen Zeit, jedoch wird das Bewegungsergebnis des effizient arbeitenden Pferdes dem gewünschten Ziel näher sein.

 

Übertragen wir dieses Gedankengut auf die Ausführung einer geforderten Bewegung, wie zum Beispiel das Angaloppieren im Handgalopp, ist für den Erfolg im Hauptsächlichen entscheidend, dass wir ein klares Bild davon haben, wie das Bewegungsergebnis aussehen soll und wie sich der hierfür direkte und damit kürzeste Weg, den Kraft und Energie durch den Pferde- und den Reiterkörper hindurch nehmen sollen, gestalten muss. Da wir es sind, die dem Pferd diesen besten Weg mittels unserer Impulsgebungen zeigen müssen, müssen wir uns ein ebenso klares Bild der unmissverständlichen Hilfengebung visualisieren können, die dem Pferd den effizientesten Weg am effizientesten aufzeigt. Anders ausgedrückt müssen wir zuerst ganz genau wissen wie ein korrekt angaloppierendes Pferd aussieht und dann müssen wir ganz genau wissen was wir wann genau wie tun müssen um dieses Ergebnis  in der Praxis am erschöpfungsärmsten zu erreichen.

 

Im Wesentlichen bestimmen wir durch die der jeweiligen Bewegungssituation
angepassten Abstimmung der folgenden Faktoren die Effizienz aller unserer reiterlichen Bemühungen:

 


 

Lage von Pferdeschwerpunkt, Reiterschwerpunkt und Gesamtmassenmittelpunkt


Blockadefreie Einleitung, Weiterleitung und Umleitung aller Bewegungsimpulse 

Dosierung von Kraft und Energie mittels Muskel- und gesamter Körperkoordination von Pferd und Reiter

Das Ausmaß der ausladenden, beziehungsweise in Pferde- und  Reiterkörper hineingeleiteten Bewegung

Die dem Exterieur angepasste Richtung von Kraft und Energiefluss


Die Abfolge von Aktion, Reaktion, Ausführung und Bewegungsergebnis von Reiter und Pferd innerhalb der Bewegungssequenzen


Zeitpunkt, Art und Ort der Hilfengebung


Rotationsdynamik


Hebel- und Kraftkompensation so wie Gelenkwinkel


Sattelart


Im Reiteralltag begegnen mir diese oft mit Missverständnissen belegten Faktoren auf vielfältigste Weise. In den folgenden Kapiteln „Der Schwerpunkt“, „Der Reitersitz“, „Pferd und Reiter im Gleichgewicht“, „Optimierung der Hilfengebung“, „Hebel, Kraft und Muskulatur“, „Die Wahl der Sattelart“ die ich zu  „Thesen zu den Gesetzmäßigkeiten der Reiterei“ zusammengefasst habe, stelle ich die mir dazu am wichtigsten erscheinenden Zusammenhänge  in meinen, der jeweiligen Thematik entsprechend eher sachlich-technisch-erklärend gehaltenen Thesen aus mitunter ergänzenden neuen Betrachtungsperspektiven heraus vor.

 

Je präziser wir mit der vom Pferd zur Verfügung gestellten Energie haushalten, diese also in einem möglichst ausgewogenen Verhältnis für die Umsetzung des gewünschten Ergebnisses erforderlichen Energieaufwand dosieren, je flüssiger und zweckmäßiger wir den Weg der Energie gestalten und je besser wir den Weg des Energieflusses den Exterieurmöglichkeiten des Pferdes anpassen, umso weniger Kraft geht dabei ungenutzt verloren. Im Laufe der Zeit potenzieren sich antrainierte Kraft, Geschicklichkeit und die Fähigkeit diese geschickt zu nutzen von Pferd und Reiter zu Gunsten der Ergebnisse.