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Konzept, Aufklärung und § 11b


Konzepte in Korrektur und Training

Konzepte können grundsätzlich hilfreich sein um sich selbst, Anderen oder seinem direkten Gegenüber Vorgehensweisen zu visualisieren und Strategien als zielerreichend darzustellen.

 

Die gängige Vorstellung und Anforderung bezüglich einer Konzeption stellt sich in einem strukturierten, schriftlich ausgearbeiteten Projektplan dar, der den Projektpartnern (in unserem speziellen Fall wären das der Pferdebesitzer und der Trainer) vorgelegt und bei Übereinstimmung gemeinsam verfolgt wird. Notwendige Änderungen werden gemeinsam besprochen und in Übereinstimmung beschlossen. 

Diese Vorgehensweise kann sinnvoll sein. Oft jedoch können sich Konzepte in ihrem Wesen frei und höchst kreativ darstellen. Sie können gedanklich, schriftlich oder auch gar nicht ausgearbeitet werden, auf ein kurzfristiges, mittelfristiges und/oder langfristiges Ziel  ausgerichtet sein oder sich von selbst verwirklichen. Sie können mehr oder weniger strukturiert, detaillierter oder oberflächlicher ausfallen und mehr oder weniger umfangreich auf unterschiedlichste Weise kommuniziert werden.  


Konzepte  und Methoden in der Pferdewelt sind vielfältig und laufend werden neue geschaffen. Sei es die Entwicklung innovativer Hilfsmittel  zusammen mit einer  erfolgversprechenden konzeptionellen Nutzungsstrategie, eine ganz bestimmte neuartige Vorgehensmethode als "Allheilmittel für  jeden und Alles" oder kreative Neuinterpretationen von  seit jeher existierenden und immer noch hervorragend funktionierenden Grundsätzlichkeiten alter Reitmeister oder Reitlehren.  Wieder und wieder wird die Reiterei neu erfunden. Ich  persönlich bin der Ansicht dass  weniger nach neuen Konzepten gestrebt werden sollte, sondern dass lediglich einige Missverständnisse ausgeräumt und die Wahrnehmung geschärft bzw. sensibilisiert und damit angepasst werden müssten.  Einzig neu  und unbedingt innovativ reagiert werden sollte auf die negativen Zuchtveränderungen und der daraus resultierenden , so wie der generellen Korrektur für degenerativ veränderte  oder  gebäudetechnisch benachteiligte Pferde.

 

Es liegt in der Natur der Sache , dass das Training und noch mehr die Korrektur  ein ausgesprochen individualflexibles Vorgehen erfordern. Das  zu strenge Verfolgen eines zu strikten Konzeptes  würde die Entwicklung  und damit das Vorankommen stark behindern.  Gerade in der Korrektur muss in jeder Situation und in jedem Moment sofort und direkt reagiert werden. Jede Handlungsweise in jedem Moment gleichzeitig und unmittelbar mit dem Besitzer abzustimmen ist in der Praxis nicht realisierbar, weswegen dem Trainer auf Grundlage einer Vertrauensbasis entsprechende Handlungsfreiheiten zustehen müssen. 

 

Erfahrungsgemäß haben Pferdebesitzer bezüglich des Wohlergehens, dem Umgang, der Verhaltensweisen, die Reiterei  oder weitere Pferdeangelegenheiten betreffend neben klar formulierbaren Vorstellungen oft schwer für sie in Worte auszudrückende, manchmal subtil wirkende, intuitive Eindrücke oder Gefühle, die sie nicht so recht erklären oder begründen können.  "Ich glaub der hat sich noch nicht so richtig eingelebt", "Irgendwie hab ich das Gefühl ihr zwickt es irgendwo", "Seit das neue Heu gefüttert wird, ist er irgendwie anders", "Ich weiss auch nich, aber vielleicht fehlt ihr was", "das liegt bestimmt am Wetter dass er heute so träge ist"...  sind Wahrnehmungen zu denen ich jedem empfehlen würde sie nicht zu übergehen und dem Trainer in jedem Fall mitzuteilen. Nicht selten sind gerade sie die Schlüssel für einen nicht unerheblichen Prozentsatz des Erfolges  :-) 

 


In der Regel kann  mit Hilfe aller  durch den Pferdebesitzer übermittelten Informationen und der vor Ort über Pferd und Besitzer gesammelten Eindrücke relativ rasch gemeinsam ein erreichbares Ziel definiert werden. Der Weg dorthin jedoch, beinhaltet insbesondere in der Korrektur, eine nahezu unbestimmte Anzahl an unbekannten Variablen die zu unterschiedlichsten  Zeitpunkten auftreten oder auch gar nicht in Erscheinung treten können. Auf all diese Variablen muss jederzeit zielführend reagiert werden können.

 

DAS für alle Pferde und Pferdebesitzer gleiche Konzept gibt es nicht. Es gibt noch nicht einmal ein für viele Pferde und Pferdebesitzer gleiches Konzept.

 

Die im vorangegangenen Text erklärte Flexibilität steht in keinerlei Widerspruch zu einer gefestigten, argumentationsstabilen Einstellung des Trainers bezüglich seiner Arbeitsweise. Nahezu jeder Trainer ist für sich berechtigterweise von seiner Herangehensweise überzeugt. Ein guter Trainer  wird  im  Korrektur- und/oder Trainingsverlauf sehr klar, situativ strukturiert, einfühlsam, effektiv, zielorientiert und gerade deswegen ausgesprochen bedarfsflexibel vorgehen. Dabei wird er den in höchstem Maße eigenverantwortlichen Pferdebesitzer zielsicher abholen und mitnehmen. Eine solche Vorgehensweise  könnte auch als  maximal flexibles Konzept bezeichnet werden. 

 

Sollten die Vorstellungen von Trainer und Besitzer mal voneinander abweichen, so kann und wird der Trainier in jedem Fall darstellen können, mit welchen Konsequenzen seiner Ansicht  zu rechnen wäre, würde eine  ausschließliche Umsetzung der Ideen, Wünsche und  Vorstellungen des  Pferdebesitzer das weitere Training bestimmen.

Speziell für die Korrektur aber natürlich auch für das Training sollte ein gemeinsames Ziel ausformuliert werden. Besonders in der Korrektur sollte der Weg dorthin jedoch nicht durch ein striktes, unflexibles einem festgelegten, unbeweglichen Konzept folgenden Vorgehen eingeschränkt werden.



Aufklärung und TierSchG § 11b

Ein sehr gutes Konzept ist  in jedem Fall die Aufklärung: Immer wieder weise ich auf die negative Entwicklung des modernen Zuchttrends hin. Im Folgenden möchte ich, um die Aufklärungsarbeit mit zu unterstützen auf den dazu passenden § 11 b aufmerksam machen.


Tierschutzgesetz § 11b in der Theorie

Hinsichtlich der immer deutlicher sichtbar werdenden, mittlerweile zum Teil gravierenden und meiner Ansicht nach nicht mehr tolerierbaren zuchtbedingten Exterieurveränderungen, die ursprünglich aus der durchaus gerechtfertigten Absicht entstanden, rittigere Pferde durch angemessene Veredelung hervorzubringen, gäbe es zum Schutz der Pferde eigentlich den § 11b. Dort steht geschrieben:

[TierSchG: Ausfertigungsdatum: 24.07.1972, Vollzitat: "Tierschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 18.Mai 2006 (BGBI. I S. 1206, 1313), das zuletzt durch Artikel 141 des Gesetzes vom 29. März 2017 (BGBI. I S. 626) geändert worden ist"; Stand: Neugefasst durch Bek. v. 18.5.2006 I 1206, 1313;  Zuletzt geändert durch Art, 141 G v. 29.3.2017 I 626]:

[TierSchG §11b]

"(1) Es ist verboten, Wirbeltiere zu züchten oder durch biotechnische Maßnahmen zu verändern, soweit im Falle der Züchtung züchterische Erkenntnisse  oder im Falle der Veränderung Erkenntnisse, die Veränderungen durch biotechnische Maßnahmen betreffen, erwarten lassen, dass als Folge der Zucht oder Veränderung

  1. bei der Nachzucht, den biotechnisch veränderten  Tieren selbst oder deren Nachkommen erblich bedingt Körperteile oder Organe  für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten oder
  2. Bei den Nachkommen
  • a) mit Leiden verbundene erblich bedingte Verhaltensstörungen auftreten
  • b) jeder artgemäße Kontakt mit Artgenossen bei ihnen selbst oder einem Artgenossen zu Schmerzen oder vermeidbaren Leiden oder Schäden führt oder 
  • c)  die Haltung nur unter Schmerzen oder vermeidbaren Leiden möglich ist oder zu Schäden führt.

(2) Die zuständige Behörde kann das Unfruchtbarmachen von Wirbeltieren anordnen, soweit züchterische Erkenntnisse oder Erkenntnisse die Veränderungen durch biotechnische Maßnahmen betreffen, erwarten lassen, dass deren Nachkommen Störungen oder Veränderungen im Sinne des Absatzes I zeigen werden. 

(3)  Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für durch Züchtung oder biotechnische Maßnahmen veränderte Wirbeltiere, die für wissenschaftliche Zwecke notwendig sind.

(4)   Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.      die erblich bedingten Veränderungen und Verhaltensstörungen nach

         Absatz 1 näher zu bestimmen,

2.     das Züchten mit Wirbeltieren bestimmter Arten, Rassen und Linien

         zu verbieten oder zu beschränken, wenn dieses Züchten zu Verstößen

         gegen Absatz 1 führen kann."

(Quelle: https://www.gesetze-im-Internet.de/tierschg/11b.html   &   https://www.gesetze-im-internet.de/hinweise.html#stand       Stand:Montag, 20.November 2017)

Im Folgenden ein von der angesprochenen Entwicklung betroffenes Pferd. Auf den ersten Blick mögen die Defizite auf den vielleicht weniger auf die Unzulänglichkeiten sensibilisieren Betrachter nicht sehr dramatisch wirken. In Wirklichkeit jedoch hat die Stute sehr mit ihrem Körper zu kämpfen. Erklärende Erläuterungen zu dem Bild können im Kapitel "Beispiele und Erklärungen" nachgelesen werden.

Im Exterieur defizitäres Korrekturpferd

Im Internet auf den Koppeln und in den Ställen  finden sich unzählige weitere Beispiele. Verständlicherweise kann ich diese aus Gründen des Datenschutzes und der praktischen Durchführbarkeit hier nicht alle aufzeigen.

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An diesem speziellen Thema Interessierte, haben die Möglichkeit sich in Internet in bereits diversen dazu existierenden Diskussionsgruppen ergänzend zu informieren. 

Die Initiatoren freuen sich auf einen gewinnbringenden Austausch mit Euch!

Tierschutzgesetz § 11b in der Praxis

Laut Tierschutzgesetz § 11 (4) 2. können die angesprochenen Zuchtveränderungen vom Bundesministerium mit Zustimmung des Bundesrates verboten werden. Dazu dass hier aktiv noch nichts passiert ist und der Prozess, der sich über mehrere Zuchtgenerationen hinwegentwickelt hat, schleichend weiter voranschreitet, sind mehrere Theorien und deren Vermischung möglich. Anbei zwei denkbare Ansätze:

 

~ 1 ~

Schleichende, sich immer weiter potenzierende Veränderungen fallen Vielen nicht so stark auf wie plötzliche, deutliche Umbildungen. Der Mensch kann Dinge aktiv und bewusst verändern und er kann sich an veränderte Gegebenheiten anpassen. Anpassung kann in Begleitung eines Gewöhnungseffektes Handlungswillen herabsetzen. Im Wandel positiver Entwicklungen ist diese Anpassungsfähigkeit überlebensnotwendig  im Falle negativer  Entwicklungen ist der Gewöhnungseffekt in Kombination mit dem herabgesetzten Handlungswillen fatal.

 

Die derzeitige Zuchtentwicklung ist eine menschengemachte, negative Entwicklung, die das gesunde Maß der Veredelung längst sichtbar überschritten hat. Es besteht Handlungsbedarf.

 

Es ist denkbar, dass der Gewöhnungseffekt dazu geführt hat, dass nicht hinreichend und rechtzeitig erkannt wurde was wirklich passiert. Das entschuldigt allerdings nicht, dass von höherer Instanz auch jetzt noch nicht unterstützend eingegriffen wird.

~ 2 ~

 

Auch Pferde sind aus ökonomischer Sicht betrachtet, gewinnbringende Wirtschaftsgüter. Der Pferdesport, insbesondere der Leistungssport im Profisegment ist eine finanzielle Goldgrube, an dem auch wir als Staat eine Menge Geld verdienen. Eine gewinnbringende Sparte möchte effektiv mit entsprechenden Produkten bedient werden. Ein Pferd in Aufzucht und Ausbildung kostet viel Geld. Ähnlich wie in der Mastzucht, in der in einer von uns allen erzwungenen übertriebenen Gewinnerzielungsabsicht so rasch wie möglich so viel Masse Tier wie möglich produziert werden soll, soll das Pferd so schnell wie möglich einen  leistungsfähigen Körper erlangen, um Erfolge zu erzielen.

 

Da das Lebewesen Pferd jedoch in seiner natürlichen, noch normalen genetischen Veranlagung  Zeit braucht, um die entsprechenden körperlichen Voraussetzungen durch Training zu erlangen, wurde versucht, eine, in  möglichst kurzer Zeit höchst leistungsfähige, gefällige Zuchtrichtung zu erschaffen, die als  Ergebnis zwar optisch in hohem Maße schon beim Jungpferd enorme Leistungsfähigkeit simuliert, tatsächlich jedoch Tiere mit wenig tragfähigen und damit instabilen Strukturen und in Folge dessen gesundheitszerstörenden Voraussetzungen hervorbringt.

 

Es ist denkbar, dass sich übertrieben finanziell orientierte Motivationen mit daraus entsprechend resultierendem Leistungsdruck bis hin zum Züchter auswirken. Von ihm wird erwartet, in möglichst kurzer Zeit eine den mittlerweile  überzogenen Vorstellungen entsprechende bewusst leistungsorientierte Zucht hervorzubringen. Diese kristallisierte sich jedoch ab einem bestimmten Punkt - für  viele unerwartet - im Nachhinein als ausgesprochen instabil heraus.  Eine abrupte Umkehrung und damit das offizielle Eingeständnis, Fehler gemacht zu haben, ist verständlicherweise aus derzeit noch vorherrschenden gesellschaftlichen Gründen (z.B. eventuelle zerstörerische Degradierungsabsichten bei Eingeständnissen) und der möglicherweise daraus resultierenden existenziellen Nöte, nicht möglich.

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Sowohl für eine langsame, stillschweigende, als auch für eine rasche, offen kommunizierte Umkehr zu wieder vernünftigen Zuchtzielen bedarf es einer wesentlich höheren Transparenz der tatsächlich diese Umstände verursachenden Zusammenhänge. Außerdem müsste ein Genpool von ehemals tragfähigen guten Linien zur Verfügung stehen. Parallel dazu muss an der Basis die Nachfrage nach wieder tragfähigen, vernünftig gebauten Pferden durch noch aktivere Aufklärung der potentiellen Käufer generiert werden.